Das Halbjahr ist rum und ich betrachte mal wieder etwas den US Comicmarkt soweit das mit meinen Mitteln möglich ist.
Meine Mittel sind primär die Comichron Webseite von John Jackson Miller und Excel, ein wenig noch diverse andere Seiten wie Comicbookresources oder Bleeding Cool sowie Digital Book World.
Vorab einige Bemerkungen zu den Zahlen.
- Es handelt sich hierbei um Vorbestellungen durch den primären Distributor Diamond Comics
- Das sind also wender Verkäufe an den Endkunden noch tatsächlicher Verkäufe
- Um Vergleichbarkeit zu schaffen nehme ich nur die Zahlen der Top 300 Hefte bzw. Graphic Novels
- Alle Zahlen sind von der Seite Comicchron abgeschrieben, da können also Fehler drin sein
- Diese Betrachtung betrifft zunächst nur den Fachhandel (Comic Shops) Zum Buchhandel sage ich später etwas.
Wenn wir uns die Grafik der verkauften Einheiten der letzten Jahre anschauen stellen wir fest, daß seit dem Jahr 2011 wo DC sein Programm mit den New 52 neustartete viel Bewegung im MArkt war, mehr als in den Jahren davor. Das liegt auch daran das immer öfter Serien mit einer neuen Nummer #1 gestartet wurden was für besser Verkäufe gesorgt hat.
Zudem sehen wir eine interessante Entwicklung die ebenfalls seit 2011 besteht: Die Anzahl verkaufter Einbeiten nimmt bei DC beständig ab (blauer Pfeil nach rechts unten), bei Marvel steigt sie aber (roter Pfeil nach rechts oben). Zudem kann man auch einen Abwärtstrend bei Image seit Ende letzten Jahres erkennen.
Hier scheint es tatsächlich so zu sein das die ständigen Event-Neustart Zyklen bei Marvel geschickter geplant und vermarktete werden als bei DC. Die Events/Neustarte bei Marvel legen jedesmal ein klein Wenig zu und die Einbrüche dazwischen sind nicht so lang bzw. Tief, wohingegen DC bei jedem Event/Neustart ein klein wenig abnimmt und auch die Pausen dazwischen länger und tiefer sind. Das würde mittelfristig Marvel eher das Überleben sichern als DC, wobei der Eine ohne den Anderen nicht wirklich überleben kann.
Was besorgniserregend ist, ist die Tatsache das Image so massive abbaut. Hier habe ich aktuell noch keine Erklärung für, vielleicht hat ja einer der Leser einen Tip?
Die oben angesprochenen Dinge sind in der Quartalsauswertung genauso offensichtlich, hier halt etwas um die monatlichen Zacken bereinigt. Hier wird sogar nochmal deutlicher das der Unterschied zwischen Marvel und DC wieder sehr viel größer wird.
Wenn wir uns die Kurve des Umsatzes in Dollar anschauen und diese mit der obigen Einheiten Kurve vergleichen lässt sich gut erkennen das Marvel mehr Geld pro verkauftem erwirschaftet. DC hat schon immer darauf gesetzt das die Hefte eher billiger blieben. Es gab die „draw the Line at 2.99“ Initiative die man zwischenzeitlich fallen gelassen hat aber jetzt mit Rebirth setzt man wieder konsequent den Preis eines Heftes auf 2,99 $. Das funktioniert aber nur solange man auch den entsprechenden Absatz erzieht, was bei DC augenscheinlich nicht der Fall ist. Ansonsten unterscheiden die Kurven sich aber nicht wesentlich.
Bei den Tradepaperbacks (oder Graphic Novels) sieht es ähnlich aus. Hier war DC lange Zeit gleichauf oder vor Marvel und auch der Rest mischte etwa im selben Bereich mit, aber in den letzten 12 Monaten hat Marvel große Schritte unternommen sich abzusetzen. Dies dürfte primär an den Star Wars Bänden liegen die hier für Umsatz sorgen.
Interessant ist der Blick auf die Addition aller Verlage. Hier sieht man schön das im Fachhandel die Tradepaperbacks nahezu keine Veränderung in der Gesamtkurve ergeben, sie addieren sich primär oben drauf. Hier gibt es ja diverse Leute die eine große Gefahr für den Comicmarkt sehen. So sprach Brian Hibbs bereits Ende letzten Jahres von schlechten Aussichten und Rich Johnson sieht selbst bei den Juni Zahlen, welche der beste Monat seit 19 Jahren war, noch den Wermutstropfen das wir in Summe hinter dem Vorjahr liegen.
Zu letztem Punkt sei angemerkt das in 2015 die Events fast 2 Monate früher startete. Convergence #0 erschien am 1.4. und Secret Wars #1 am 6.5. Dieses Jahr haben wir Rebirth am 25.5. und das auch nur als einzelnes Heft, der Rest der Rebirth Sachen kam im Juni, genau wie Civil War II.
Und damit sind wir auch bei dem nächsten Punkt wo ich eine andere Meinung haben wie z.B. Brian Hibbs. Wenn er von Event-Müdigkeit redet sehe ich eher das Gegenteil. Ich vermute stark das er – bedingt durch seine Eigenschaft als Händler – ein Ohr bei den Konsumenten und anderen Händlern hat. Die Verkaufszahlen belegen allerdings das gerade die Marvel Events (und die damit verbundenen Neustarts) das sind was die Verkäufe aktuell oben hält und das schon seit Jahren. Den Begriff Event-Müdigkeit hört man ja auch nicht erst seit gestern und von den massiven Einbrüchen bei den Verkäufen ist immer noch nichts zu sehen, die Einbrüche bei DC schiebe ich eher auf einige extrem schlechte redaktionelle Entscheidungen.
Hier noch ein paar weitere Betrachtungen zum US Markt:
Neue Nummer 1
Die Tatsache das man bei den großen Verlagen immer wieder eine Serie auf 0 setzt wird oft kritisiert, wie man aber an den Verkaufszahlen sieht funktioniert das gut. Die Verlage wären dumm dieses Marketinginstrument aus der Hand zu geben.
Digitale Verkäufe
Publishers Weekly berichtet das die Verkäufe an digitalen Comics in 2015 um 10% zurück gegangen sind. ICv2 hat dazu die Theorie das es an der Marktsättigung liegt. Zum Einen dürften die meisten Comicfans ihre Backlist mit digitalen Comics aufgefüllt haben, zum Anderen gab es zwischenzeitlich extrem viele Humble Bundle Deals. Hier bleibt jetzt abzuwarten wie sich das aktuelle Jahr entwickelt.
Buchhandel
Die Betrachtung der Buchhandelszahlen ist für mich immer extrem schwierig, da ich keinen Zugang zu den Nielsen Bookscan Zahlen habe. Was man aber auf den diversen anderen Seiten sehen kann, ist die Tatsache das die Bestseller unter der entsprechenden Rubrik meisten Sachen wie „Dork Diaries“ oder Mangas sind, also durchaus Comics aber nichts was im Fachhandel große Auswirkung hat. Selbstverständlich gehört das trotzdem zum Gesamtbild dazu, immerhin reden wir hier von 350 Millionen Dollar, immerhin ein Drittel des gesamten Comicumsatzes.
Ausblick
Rebirth hat erst im Juni Fuss gefasst und es wird spannen zu sehen sein wie stark DC hiervon profitieren kann. Diverse Berichte deuten darauf hin das hier ausnahmsweise die Vorbestellerzahlen zu niedrig waren. Das könnte dann in den Folgemonaten nochmal einen gehörigen Schub für DC geben. Bei Civil War sieht es nicht so rosig aus, dafür ist der „Buzz“ rund um den neuen Marvel NOW! Neustart im Herbst umso größer. Doctor Doom und Riri Williams die sich die Iron Man Pflichten teilen dürfte einiges an Lesen bringen aber auch die anderen Serien versprechen ein noch breiter aufstelles Marvel.
Image ist mir zur Zeit ein Rätzel. Lange Zeit für innovative Comics bekannt die sich in Miniserien präsentieren haben wir jetzt The Walking Dead 155, Saga 37 und selbst The Wicked + The Divine ist schon bei 20. Wie sich das weiter entwickelt kann ich aktuell nicht sagen.
Insgesamt sollte der US Markt weiter langsam wachsen. Sicher kein Grund zur Euphorie aber auch keiner zum Verzweifeln. Das Wachstum dürfte gerade groß genug sein um einen Fortbestand vorerst zu sichern.
Meinungen und Korrekturen sind immer willkommen.
[Update] Bin eben auf Facebook von Stefan Pannor auf den Grund für den Rückgang bei Image hingewiesen worden:
Da ich nur die Verkaufszahlen der besten 300 Comics aufnehme (hat damit zu tun das ich sonst nicht alle Werte vergleichbar bekomme) und bei Image einige da raus gerutscht sind lasse ich da Verkäufe weg. Zudem hat Image zu dem Zeitpunkt des Rückgangs tatsächlich weniger Titel raus gebracht.
Ein Gedanke zu „Der US Comicmarkt Stand 06/2016“